Virtueller Lauffener Bote

Archiv: Aktuelle Nachrichten

Dieser Artikel befindet sich im Archiv!

Aktuelle Nachrichten | Keßler, Bettina | 12.07.2022 – 08.08.2022

Drei Beine, drei Whiskys oder dreimal sieben Jahre Dudelsack?

Auftakt der „Folknacht am Klosterhof“ mit More Maids und Broom Bezzums

In Lauffen a.N. gibt es seit der ersten "Irischen Nacht" auf der Rathausinsel 2005 eine lange Folktradition, die 2016 mit dem letzten "Inselfolk" unter der Regie des Phoenix Irish Pub zu Ende ging. Am vergangenen Freitag gab es nun mit der „Folknacht am Klosterhof“ einen Neustart des beliebten Events irisch-schottischer Folkmusic unter Federführung des Lauffener Kulturkreises. Der dreistündige, dennoch sehr kurzweilige Auftakt mit zwei Bands, den More Maids und dem Duo Bloom Bezzums, war ein voller Erfolg.

 

Folknacht am Klosterhof: Die More Maids

 

Harmonisches Storytelling

Mit einer gut sortierten Mischung aus meist traurig düsteren Moritaten und melan-cholischen Liebesliedern im Wechsel mit heiter hüpfenden Tanzstücken wie Jig, Reel und Hornpipe, entführte das Damentrio Barbara Coerdt (Hannover), Marion Fluck (Mannheim) und Barbara Hintermeier (München) auf diversen Flöten, Whistles und Knopfakkordeon (Fluck), auf irischer Bouzouki (Coerdt), Fiddle und der Uilleann Pipe (Hintermeier) in keltische Urzeit: Sieben Jahre müsse man diesen Ellbogen-Dudelsack hören, sieben Jahre üben und sieben Jahre spielen, erst dann sei man reif, um als Meister des pentatonisch gestimmten Instrumentes anerkannt zu werden. Kaum vorstellbar für heutige Menschen einer bis zur Unkenntlichkeit atomisierten Zeit.   Anregend sind die punktierten Rhythmen, zu dem ein paar Besucher – barfuß im Gras des Klostergartens – ein Hüpftänzchen wagen. Man lauscht dem typischen Storytelling, auf dem die Vokalmusik fußt. In mehrstimmigem Harmoniegesang erzählen die Ladies von Liebesprüfung, Hunger, Armut, Auswanderung und Rückkehr aus dem amerikanischen Bürgerkrieg oder einfach von einem verbummelten Markttag. Auch die oftmals vertonte Ballade der „Annabelle Lee“, in der der Symbolist Edgar Allan Poe eine über den Tod gehende Lovestory, deren Glück sogar Engel eifersüchtig machte, ist im Programm. Kurze Zusammenfassungen auf Deutsch erleichtern das Verständnis und steigern den Genuss an gelungenen Stimmsätzen und schöner Stimmführung.  

 

Folknacht am Klosterhof: "Broom Bezzums" - Andrew Cadie & Mark Bloomer

 

Hits und Witz

Nach 90 Minuten archaischer Klänge der More Maids folgt Experimentelles der Broom Bezzums: Flott fegt das Duo namens Ginster Besen den Staub der Geschichte hinweg und holt vergnüglich raus, was Stimme, Instrumente, Hits und Witz hergeben. Ein Shanti zum Mitsingen in der Art betrunkener Seeleute, Tiere-Raten auf den Spuren eines Bob Dylan-Oldies und vertrackte rhythmische Wechsel – will man darauf tanzen, braucht man, laut Mark Bloomer „mindestens drei Beine oder drei Whiskys“. Dynamisch, temperamentvoll und pfiffig ist die Moderation von Bloomer: „Zuhause in England erzählen wir immer, dass wir das beste Folk-Duo in Deutschland sind. Was die nicht wissen: Wir sind das einzige!“ Grandios das Solo „House of the Rising Sun“ seines Partners Andrew Cadie, Gänsehauteffekt mit Geige und Gesang, der mit stehenden Ovationen gefeiert wird. Gerne mehr davon! 

 

Der Folk und Lauffen

Wie erklärt sich die besondere Liebe zu irisch-schottischer Folklore ausgerechnet in Lauffen am Neckar? Deftig gesponnenes Seemannsgarn unterfüttert mit Guinness und Whisky an der weinseligen Wiege feingeistiger Hölderlin-Lyrik? Des Rätsels Lösung hat zwei Beine: Der Irish Pub Phönix, in dem die Geschmacksknospen auf Hochprozentiges aus dem britischen Norden auf Hochtouren kommen, ist das Standbein. Spielbein hingegen ist der gebürtige Ilsfelder Eberhard „Paddy“ Bort (1954 – 2017).   Eine Dozentur für deutsche Sprache in den 1970er Jahren am Trinity College in Dublin hatte ihn auf den Geschmack gebracht. Sein Faible für Folkmusic begleitet ihn ein Leben lang. Laut Wikipedia war der Akademiker (stellvertretende Direktor des International Social Sciences Institute der University of Edinburgh) ein führender Befürworter traditioneller Musik in der schottischen Hauptstadt. Vier Publikationen und mehrere Club- und Festival-Gründungen gehen dort auf ihn zurück. Auch das Festival „Folk im Burghof“ trug seine Handschrift. Das Folk-Revival, die „Folknacht am Klosterhof“ – ganz nah beim Ortsheiligen Hölderlin – hätte den Wahl-Schotten begeistert.

 

Text und Fotos: Leonore Welzin