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Aktuelle Nachrichten | Kast, Ingrid | 07.10.2025

Herbstlese startet mit der bestens aufgelegten Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe

Eine Weltpremiere in Lauffen gibt’s nicht alle Tage. Der Montag war so ein Tag. Zum Start in die dritte Auflage des Lauffener Literaturfestivals „Herbstlese“ sitzt am Ende einer faszinierenden Lesung die bestens aufgelegte Felicitas Hoppe im Saal des Hölderlinhauses, lächelt in die Runde und bietet den rund 50 anwesenden Literaturfreunden diese Besonderheit: „Im nächsten Frühjahr erscheint ein neues Buch von mir, und daraus lese ich jetzt zum allerersten Mal vor. Das ist also eine Weltpremiere.“ Es ist ein Essay, der in der Reihe „Das Leben lesen“ des Verlags Hanser Berlin erscheint über die zehn besten Dinge des Lebens. Hoppes Thema ist „Reisen“.

Dass die Trägerin des Büchner-Preises, der bedeutendsten Auszeichnung für deutschsprachige Literatur, gebeten wurde, ausgerechnet übers Reisen zu schreiben, liegt in der Natur des Hoppe'schen Schreibens begründet. Das Unterwegssein ist Quell und Inspiration für ihre Arbeit am Schreibtisch, weshalb der Abend in Lauffen auch treffend mit dem Titel „Stube und Kosmos“ überschrieben ist. Moderiert wird der so launige wie anregende Festival-Auftakt vom promovierten Philosophen Fabian Goppelsröder, der in Lauffen lebt und an der Kunstakademie Karlsruhe lehrt.

Felicitas Hoppe mit Fabian Goppelsröder
Felicitas Hoppe mit Fabian Goppelsröder

Als profunder Kenner des Werks von Felicitas Hoppe ist er der ideale Gesprächspartner für die 1960 in Hameln geborene Schriftstellerin. Mit analytischer Tiefe und einer ordentlichen Portion Humor arbeiten die Beiden sich durch das Hoppe-Werk, beleuchten Motivationen, Hintergründe oder Schreibstil der vielfach ausgezeichneten Autorin, der Goppelsröder eine „unglaublich starke Sprache“ bescheinigt. Ihr munteres Verquicken von Fantasie und Wirklichkeit sei aber auch bestens geeignet, ihre Leserschaft immer wieder gehörig zu verwirren, ist er überzeugt. Schließlich könne man sich nie sicher sein, welchem Genre das jeweilige Buch angehört. „Vielleicht dem ganz eigenen Hoppe-Genre?“, will der Philosoph wissen. Für sie selbst habe diese Frage nie eine Rolle gespielt. In der Familie Hoppe wurde schon früher „immer viel gelesen und erzählt“, was für die junge Felicitas eine wichtige Schule im Umgang mit Sprache war. Noch heute ist für sie ein entscheidender Punkt, „dass Erzählung immer eine Möglichkeit der Verwandlung ist“. Eine Kostprobe gibt sie mit der Erzählung „Am Zoll“ aus ihrem ersten Buch „Picknick der Friseure“. Das Kuriose an diesem Band: „Ich fand es einen tollen Einfall für einen Titel, aber ich hatte gar keine Geschichte dazu.“ Die entwickelte sich dann im Prozess des Schreibens, „und dieser Prozess lässt mich in sehr viele Richtungen denken, was ja durchaus zu Verwirrungen führen kann. Das wirft man mir seit 30 Jahren vor“, räumt sie schmunzelnd ein.

Doch zurück zum Reisen. Hoppe ist überzeugt: „Man kann nichts erfinden ohne das Material der Wirklichkeit. Es gibt kein Innenleben ohne Außenleben.“ Und dieses Außenleben hat sie buchstäblich „erfahren“. Ihr erster Roman „Pigafetta“ von 1999, aus dem sie vorliest, fußt auf einer Reise mit einem Containerschiff einmal rund um die Erdkugel. Für sie eine stinklangweilige Erfahrung - „man könnte genauso gut im Gefängnis sitzen“ - wären da nicht die täglich drei Mahlzeiten, die sie mit den anderen Reisegästen einnimmt. Hier, in der Schiffsmesse, ist der Quell ihres Erzählens: Es sind die Kuriositäten des Zusammenlebens auf einem Schiff mit Menschen, die man sich nicht ausgesucht hat. Dann, daheim in der Stube, entsteht der literarische Kosmos, indem das außen Erlebte Hoppes Innenleben zum Arbeiten bringt. Und dabei versichert sie: „Alles, was beschrieben wird, ist real.“

Seit „Pigafetta“ gilt Felicitas Hoppe als Expertin in Sachen Reisen. „Dabei ist es für mich immer wieder eine enorme Anstrengung hinauszugehen. Ich bin nicht rastlos.“ Das überrascht den Moderator dann doch: „Sie sind doch quasi ständig unterwegs.“ Diese paradoxe Situation ist der Autorin durchaus bewusst, „aber ich bin eine reisende Schriftstellerin, die die Bewegung des Reisens braucht, um schreiben zu können“. Das Buch entsteht dann hinterher in der Stube. „Dazu brauche ich einen Tisch und ein Dach. Je kleiner desto besser.“ Und noch eine gar nicht so kuriose Anmerkung der Büchner-Preisträgerin, die im Publikum für viel Zustimmung sorgt: „Für mich ist das Wichtigste am Reisen das Zurückkommen.“ Nach dem Stress des Reisens folgt also die Anstrengung des Schreibens. Und wann erholt sie sich? „An Abenden wie hier mit Ihnen in Lauffen. Das ist für mich wirklich eine Freude.“ Und die merkt man ihr auch an.

Dieser Auftakt der „Herbstlese 2025“ war zweifellos einer der bemerkenswertesten Abende in der bislang noch jungen Geschichte des Festivals. So darf es weitergehen.

Text und Foto: Uwe Grosser