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Aktuelle Nachrichten | Kast, Ingrid | 13.10.2025

Stimmungsvolle Lesenacht im Rahmen des Literaturfestivals Herbstlese

Literatur ist mehr als nur geistige Beschäftigung. Sie ist oft emotional mitreißend, manchmal psychologisch raffiniert, meist sehr unterhaltsam, und im Hölderlinhaus Lauffen bringt sie einmal im Jahr sogar Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammen, womit das Lesen nicht nur ein privater Spaß ist, sondern zum Gemeinschaftserlebnis wird. Die Lange Lesenacht, die am vergangenen Freitag im Rahmen des Literaturfestivals Herbstlese stattgefunden hat, war auch in ihrer dritten Auflage ein atmosphärisch besonderes Erlebnis, bei dem rund 80 Gäste mit einem Gläschen und kleinen Häppchen durchs Haus pilgerten, wo vom Keller bis zum Dachboden an fünf verschiedenen Orten vorgelesen und diskutiert wurde.

Fast schon eine kleine Tradition ist die Eröffnung durch Uwe Ehrenfeld, auf dem Balkon im Innenhof stehend. Vor zwei Jahren rezitierte er ein Schiller-Gedicht, letztes Jahr war Heinrich Heine dran, und diesmal widmet er sich Erich Kästner mit dem Gedicht „Der synthetische Mensch“.

Sarah Lorenz u. Sophia Lind haben im Rahmen der Textwerkstatt eigene Arbeiten eingereicht
Sarah Lorenz u. Sophia Lind haben im Rahmen der Textwerkstatt eigene Arbeiten eingereicht

Der nächste Höhepunkt schließt sich direkt an: Im Rahmen der Textwerkstatt haben zwei Schülerinnen des Hölderlin-Gymnasiums eigene Arbeiten eingereicht, die sie nun im Saal vortragen. In drei Gedichten widmet sich Sarah Lorenz dem Thema „Worte“, was sie können, was sie mit uns machen. Sprachlich fein geschliffen geht sie ihrem Thema aus verschiedenen Perspektiven auf den Grund und verleiht den Worten damit Ausdruck und Bedeutung. Ihr Gedicht „Zwischen den Zeilen“ endet mit der Strophe: „In dunklen Zeiten ist es umso wichtiger, / nicht wegzusehen, / zwischen den Zeilen zu lesen, / und den Mut zu finden, auch schwere Wege zu gehen.“ Es folgt langer Applaus. Ihren Auftritt bezeichnet sie anschließend als „richtig schön“. Dass die Gedichte „andere Menschen berühren, das freut mich sehr“.

Sophia Lind, die im vergangenen Jahr schon am Start war, bietet diesmal ihren neuen Prosatext „Päckchengedanken“. Es geht um die Päckchen, die wir durchs Leben schleppen, und die uns meist „an den Hinterkopf genagelt“ sind. Päckchen, die uns Lügen einflüstern. Doch man muss sich ihnen nicht hilflos ausliefern, ist die Botschaft der jungen Autorin. Beim Vorlesen war sie „diesmal nicht so aufgeregt“ wie im Vorjahr. Der lange Applaus macht sie „stolz und motiviert“. Katharina Altmann vom Herbstlese-Orgateam zeichnet die beiden Schülerinnen mit Büchergutscheinen und anderen nützlichen Dingen aus.

Und dann geht er los, der Lesereigen im ganzen Haus. Fünf Räume werden in vier Schichten von 20.15 Uhr bis Mitternacht bespielt. Neun Menschen lesen aus Büchern vor. Mal sind es Lieblingsbücher, die einen schon durchs ganze Leben begleiten, mal Neuerscheinungen, die beeindruckt haben, mal auch Wiederentdeckungen. Ausgestattet mit Getränken und Knabbereien verteilen die Besucher sich aufs Haus, neugierig auf das, was sie da erwartet.

Erstmals als Vorleser dabei war Erwin Köhler, MdL
Erstmals als Vorleser dabei war Erwin Köhler, MdL

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Erwin Köhler, der erstmals dabei ist, liest aus Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“. Der jüngste Vorleser, Felix Keßler, bietet Auszüge aus Marc-Uwe Klings „Die Känguru-Klassiker“ und muss sich beim Vorlesen immer wieder selbst ausschütten vor lachen.

Die Atmosphäre im Haus ist jedenfalls großartig, auch bei den Lesungen von Ulrike Kieser-Hess (Annie Ernaux: „Die Jahre“), Karl-Ernst Schmitt (Donna Leon: „Backstage“ und Hermann Hesse „Liebesgeschichten“), Uwe Grosser (Wolf Haas: „Wackelkontakt“ und Johann Wolfgang von Goethe „Faust“),

Marian Kopp las aus Frank Berzbach und Carsten Henn
Marian Kopp las aus Frank Berzbach und Carsten Henn

Marian Kopp (Frank Berzbach: „Die Schönheit der Begegnung“ und Carsten Henn „Simply Wine“), Coretta Ehrenfeld (Jean-François Lyotard: „Das postmoderne Wissen“ und Dinçer Güçyeter: „Unser Deutschlandmärchen“) und Götz Schwarzkopf (Jenny Erpenbeck: „Gehen, ging, gegangen“), der zum Gelesenen auch noch einen eigenen Song bietet.

Theaterdramaturgin Katharina Altmann las aus Michael Köhlmeier und Martin Mc Donagh
Theaterdramaturgin Katharina Altmann las aus Michael Köhlmeier und Martin Mc Donagh

Theaterdramaturgin Katharina Altmann liest aus Michael Köhlmeiers „Zwei Herren am Strand“ und bildet auch den Abschluss in der Late Night Session im Saal mit dem Drama „Der Kissenmann“ von Martin McDonagh.

Die Besucher sind durchweg begeistert vom Angebot und vom Ambiente dieser Langen Lesenacht. Ellen Schwarzkopf findet sie „ganz toll. Vorlesen ist ja immer schön, und hier wird ein ganz breites Spektrum geboten.“ Auch Timo Seidler aus Marbach ist begeistert: „Tolle Location, sehr schöner Empfang im Hof, einfach ein tolles Erlebnis.“ Der Lauffener Wolfgang Platter findet „das Konzept genial“ und den Abend insgesamt „Horizont erweiternd“. Es sind vor allem „die so unterschiedlichen Vorleser“, die ihn beeindrucken: „Jeder bringt einen Teil von sich selbst ein, und du hörst zu und bist dabei.“ Auch Ingeborg Dörr aus Lauffen ist „vom Konzept begeistert. Auch das ganze Ambiente ist so liebevoll gemacht“. Wichtig ist ihr außerdem: „Man bekommt für das eigene Leseleben wieder Impulse.“

Dass Literatur sich bestens mit flüssigen und festen Gaumenfreuden versteht, diesen Beweis trat Ursel Krauß mit ihrem Kulinarikteam an. Allerlei Getränke, Häppchen und Gratisknabbereien sorgten für eine entspannte Lounge-Atmosphäre. Die Lange Lesenacht darf also im kommenden Jahr fortgesetzt werden.

Text: Uwe Grosser, Fotos: Eva Ehrenfeld